Wie steht es um die Beziehung zwischen Friseur und Industrie? Ein Rundruf unter österreichischen Stylisten lässt Anzeichen einer Beziehungskrise in einer langjährigen Ehe erkennen.

Im Grunde ist die Wirtschaft eine einfache Sache: Die einen wollen etwas von einem, von den anderen möchte man selbst etwas. Die jeweils eigenen Wünsche werden dabei nach Möglichkeit in ein vorteilhaftes Licht getaucht – schließlich hat man ja nichts zu verschenken. Und so sind auch die Friseure Dienstleister für ihre Kunden zum einen, zum anderen aber auch Kunden ihrer Geschäftspartner. Doch gerade der Begriff des „Geschäftspartners“ ist nicht nicht völlig klar definiert. Im engeren Sinn bezeichnet er jemanden, mit dem man in irgendeiner Form geschäftlicher Beziehung steht, im Konkreten kann diese Beziehung jedoch einmal ein freundschaftliches Vertrauensverhältnis darstellen, ein andermal das beinharte Durchsetzen eigener Interessen auch auf Kosten des „Partners“. Und um die Sache zu verkomplizieren, ändert sich die Art des Verhältnisses zwischen Geschäftspartnern wie auch sonst im Leben immer wieder mal.

OVERHEAD hat sich daher für die aktuelle Ausgabe Zeit genommen und eine diesbezügliche Bestandsaufnahme der Friseurbranche vorgenommen. Wie sieht das Verhältnis zwischen Friseur und Industrie aus, wohin geht die Entwicklung? Denn immerhin haben die Veränderungen der letzten Jahre Spuren auch in der Friseurbranche hinterlassen. Internet und Social Media haben die Karten neu gemischt – und manche Friseure befürchten, dabei den Kürzeren zu ziehen.

360°-Geschäftsmodell bei Schwarzkopf

Eine Befürchtung, die Barbara Klapper vom Marketing bei Schwarzkopf Professional gerne ausräumen möchte. „Alle Aktivitäten werden immer dahingehend geprüft, ob sie den Friseur bzw. den Salon in deren Arbeit unterstützen und es für sie einen Mehrwert bringt“, stellt sie klar. Im Zentrum der Marketing-Aktivitäten bei Schwarzkopf stehe dabei ein 360°-kundenorientiertes Geschäftsmodell, das vollständig auf den Friseursalon fokussiere. „Unsere gesamte Verkaufsmannschaft ist ein sehr wichtiger Eckpfeiler im Kontakt zu unseren Kunden. Daher legen wir sehr viel Wert auf die Ausbildung unserer Mitarbeiter, um dem Friseur einen kompetenten Ansprechpartner für alle seine Anliegen bieten zu können.“ Das Fachteam bei Schwarzkopf soll in der Anwendung, aber auch im Verkauf professionell und kompetent beraten, ein umfangreiches Schulungsprogramm mit genau definierten Zielgruppen es dem Friseur erleichtern, die richtigen Weiterbildungsmaßnahmen für seine Mitarbeiter auszuwählen. In diesem Zusammenhang darf natürlich auch Social Media nicht fehlen: „Social-Media-Kommunikation ist mittlerweile aus der Friseurbranche nicht mehr wegzudenken und bietet viele Vorteile für den Austausch mit der Zielgruppe. Jedoch ist auch in unserer Branche der richtige Media-Mix entscheidend“, erklärt Barbara Klapper. „Daneben gibt es aber auch laufend kleinere Veranstaltungen zu Trends, wie Essential-Looks-Präsentationen, zu Neuheiten und anderen für die Branche relevanten und wichtigen Themen oder auch Kundenreisen wie vor wenigen Wochen nach Hamburg in die Schwarzkopf Professional Zentrale.“

Und auch abseits von Beratung, Verkauf, Gruppenreisen und Events bietet Schwarzkopf seinen Friseuren Unterstützung. Die reicht von Promotionplänen über die Einbindung in eigene Marketing-Aktivitäten des Unternehmens bis zur digitalen Unterstützung mit Apps, Social-Media-Inhalten und individuellen Beratungen. „Gerade läuft der Beta-Test eines revolutionären Salon-Tools, des sogenannten SalonLab Analyzers“, macht Klapper aufmerksam.

All das betreffe jedoch den Friseur als Kunden, der Endkundenmarkt werde davon vollständig getrennt bearbeitet: „Es handelt sich ja hier um zwei komplett verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen, und somit müssen diese auch komplett unterschiedlich angesprochen werden.“

… und bei L’Oréal

Doch nicht nur Schwarzkopf Professional setzt auf ein umfassendes 360°-Geschäftsmodell, sondern auch L’Oréal: „Ein neu geschaffenes Business Development Team wird unsere Friseurpartner unterstützen, das emotionale Erlebnis der Konsumenten mit dem 360°-Erfolgskonzept Salon Emotion in den Mittelpunkt zu stellen, um ihr Business nachhaltig zu entwickeln“, kündigte L’Oréal-Österreich-Chef Christophe Schmutz in seinem Antrittsinterview mit OVERHEAD im letzten Jahr an. Ebenso wie eine Bündelung der Verantwortlichkeiten, eine Verkürzung der Abstimmungswege und eine bessere Nutzung der vorhandenen Kompetenzen bei gleichbleibender Vertriebsteamgröße.

Wella: Ihr Erfolg ist unser Erfolg

Nachgefragt bei Richard Heinritz, Country Manager Wella Österreich, bestätigt er Barbara Klappers Zielsetzungen: „Das Ziel ist, unsere Kunden und Partner noch erfolgreicher zu machen. Denn ihr Erfolg ist unser Erfolg“, verweist er unter anderem auf Innovationen, wie das neue Koleston Perfect sowie ein umfassendes Weiterbildungsangebot und eine breite Förderung für den geschäftlichen Erfolg seiner Kunden. „Alle unsere Maßnahmen starten mit dem Friseur, mit dem Salon – denn wir wissen, dass das Buchen von Servicedienstleistungen oder spätere Kaufentscheidungen eng an eine Beratung bzw. Empfehlung des Experten gebunden sind. Wir bieten also ein komplettes Angebot von In-Salon-Aktivierungen über Schulungen und Seminare – offline, aber auch online via E-Education –, um Friseure in der Rolle des Beauty-Experten kontinuierlich zu bestärken. Auch in Zeiten des Internets ist der persönliche Austausch über unseren Vertrieb und Fachtrainer, aber auch bei Branchenevents unabdingbar. Social Media ist für uns allerdings ein wunderbares Tool, um Kunden und potentielle Neukunden bis hin zu Endverbrauchern zu erreichen, um die Schönheit dieser Branche weiterzutransportieren.“ In jedem Fall stehe aber das Salongeschäft im Vordergrund: „Das Salongeschäft war und wird in der Zukunft für uns immer im Fokus stehen – unsere Priorität No 1 bleiben. Der größte Teil unserer Marketingaktivitäten ist somit auf den Friseur fokussiert – sei es mit neuen Innovationen für Salon-Dienstleistungen, Werbematerialien und Beratungsangeboten im Salon, Kooperationen mit der Fachpresse oder Inspiration und Education auf unseren verschiedenen Online-Kanälen. Wir wollen aber auch den Friseur als den Beauty-Experten der Zukunft positionieren – und zwar bei Endkonsumentinnen. Unsere Kampagne #ASKFORWELLA hat im deutschsprachigen Raum über 110 Millionen Menschen erreicht und dafür sensibilisiert, welcher Marke sie ihr Haar anvertrauen.“

Enge Zusammenarbeit nicht mehr existent

Sieht man sich die Leistungen der Industrie im Kurzvorlauf an, entsteht ein durchaus beeindruckendes Bild: Top ausgebildete Mitarbeiter, Unterstützung im und außerhalb des Salons bei Messen und Events, Trends für jeden Bedarf und nicht zuletzt ein reichhaltiges Angebot an Produkten sollten eigentlich jeden Friseur glücklich machen. Und eine auf der OVERHEAD-Website durchgeführte Umfrage zeigt auch, dass rund 50 bis 60 Prozent der daran teilnehmenden Friseure mit ihrem Außendienst zufrieden oder sehr zufrieden sind, Online-Angebote allerdings weit überwiegend kaum oder gar nicht nutzen. Doch ein Rundruf unter österreichischen Stylisten zeigt auch eine gewisse Entfremdung auf. „Die engmaschige Zusammenarbeit zwischen Industrie und Friseuren, wie sie noch vor ein paar Jahren bzw. Jahrzehnten üblich war, ist so nicht mehr existent“, bringt es der Wiener Innungsmeister Marcus Eisinger auf den Punkt. Manche große Player hätten den Außendienst drastisch reduziert, die Folgen habe der Friseur zu tragen – mit dem Effekt, dass sich die Stylisten zunehmend zusammenschließen würden, um einerseits Einkaufsgemeinschaften zu gründen oder sich andererseits über Foren im Internet auch bei fachlichen Problemen zu unterstützen. „Das Kollegium übernimmt so zunehmend die Aufgaben des Außendienstes. Das hat aber halt auch seine Tücken – wenn zum Beispiel bestellte Ware nicht kommt oder die falsche.“

In die gleiche Kerbe schlägt auch sein südsteirischer Kollege Robert Suppan. Als „simplyrobert“ ist er in Leibnitz als Stylist die Nummer eins – jedenfalls auf Google: „Und das, obwohl ich die Website nur habe, damit ich die Domain nicht verliere“, wundert er sich. Den Außendienstmitarbeitern seines Industriepartners stellt er jedenfalls ein gutes Zeugnis aus: „Das sind ganz liebe Leut‘ und ich habe auch Vertrauen zu ihnen, doch die Industrie hat das Vertrauen missbraucht. Es wurde in den letzten Jahren ganz massiv eingespart, es kommt jetzt einer, wo es vor einigen Jahren noch drei waren, und zusätzlich hat man gegen die Preise der Online-Shops keine Chance“, ärgert er sich allerdings über die Ausdünnung der persönlichen Betreuung. „Der Unternehmer leidet darunter, weil er weniger Information bekommt und auf Mails bzw. Online verwiesen wird. Da bezahl‘ ich aber dann lieber etwas mehr und habe auch einen Ansprechpartner.“ Auch Webinaren steht er skeptisch gegenüber: „Ich bin Handwerker, ich möchte etwas anschauen und angreifen und mich mit Kollegen austauschen können, und meine Mitarbeiter denken da genauso.“

Und auch ein anonym bleiben wollender Stylist aus Graz reiht sich in die Reihe der Kritiker. Mit seinen drei Salons gehört er für seinen Industriepartner schon zu den Großkunden, doch „als Partner fühle ich mich oft nicht mehr, eher als ‚Geldsau‘. Meinen Bonusabrechnungen zum Beispiel muss ich immer nachlaufen. Es fehlt einfach die Handschlagqualität.“ Und da helfe es auch nicht, dass er mit seinem Außendienstmitarbeiter zufrieden sei: „Das Problem liegt eine Etage höher, da sollte sich auch mal wer blicken lassen, dann könnte man auch mal was anderes als nur produktbezogene Angelegenheiten besprechen. Ich möchte einen Partner, der mich auch als Partner sieht und der die Probleme der Friseure ernst nimmt.“

Friseur ist Berater

Einen völlig anderen Zugang hat wiederum Klemens Gstrein. Er führt im Tiroler Oetz einen Salon mit 13 Mitarbeitern, davon einige – inklusive ihm selbst – mit Erfahrungen bei den Austrian Hairdressing Awards. „Die Industrie ist für uns nicht so wichtig, wir sind ja Friseure, keine Chemiker. Ich möchte nicht die Marken der Industrie pushen müssen, sondern meine eigene.“ Und die steht bei „Klemens“ im Zentrum. Entsprechend prangt seine Marke nicht nur auf Zuckerpackerln und auch sonst überall im Salon, sondern steht auch stellvertretend für das gesamte Team. „Wir arbeiten viel mit Weiterempfehlung und Folgeterminen, und die Mitarbeiter sind da auch geschult.“ In wöchentlichen Meetings werden Trends und Arbeitsschritte besprochen und dann umgesetzt. Seine Produkte kauft er bei Hairhaus und Pure Haircare, dort hat er auch einen guten Kontakt, „sonst lassen wir die Industrie aber außen vor. Dort geht‘s nur um Zahlen, aber der Friseur sollte an sein Handwerk denken, er ist kreativ und sollte beraten“.

Außendienst als wichtiges Marketing-Instrument

Doch wie sehen Außendienstmitarbeiter die Situation? Für Monika Frank, die in Wien als Filialleiterin für den Großhändler Jantscha unterwegs ist und auf 28 Jahre Erfahrung in der Kundenbetreuung zurückblickt, hat sich vieles geändert: „Zu Beginn war es ein Schlaraffenland, inzwischen ist der Markt viel härter geworden, zum einen durch den Online-Handel, zum anderen durch Konkurrenz aus Deutschland. Es geht nur noch um Zahlen, und der Umsatzdruck steigt“, ist sie allerdings froh, selbst noch menschliche Chefs zu haben und in einem angenehmen Unternehmen zu arbeiten. „Daher macht es noch immer Spaß, Jantscha ist eine super Firma.“ Härter geworden sei es aber auch für die Kunden: „Die müssen auch schauen, wo sie bleiben, und sie tun mir leid. Es ist schwer, Personal zu finden, und mit den Billigshops wird auch die Konkurrenz stärker.“ Umso wichtiger sei inzwischen auch der Preis: „Früher war das nicht so wichtig, da hatte man ein Produkt, mit dem man gearbeitet hat, und auch ein viel größeres Lager. Jetzt muss viel mehr auf den Preis geschaut werden und darauf, dass am Ende was übrigbleibt.“ Als Außendienstlerin sieht sie sich vor allem als persönliche Beraterin, den Außendienst selbst als wichtiges Marketing-Instrument, als etwas Besonderes: „Ein Telefon kann einen fähigen Außendienst nicht ersetzen, und die Kunden freuen sich, wenn ich komme. Der persönliche Kontakt ist da ganz wichtig.“ Ihr Vorteil liege vor allem aber auch darin, dass sie als Vertreterin eines Großhändlers das meiste und sehr schnell liefern könne: „Ich kann ja alles anbieten, von der Einrichtung bis zur Chemie.“ Nicht umsonst sieht sie sich auch in fünf Jahren noch in der gleichen Position: „Mir ist der Kunde wichtig, und je stärker der Druck auf die Friseure wird, umso besser für uns als deren Partner.“

Service beim Kunden leisten

Ins gleiche Horn bläst auch Nico Richter, der für Gold Professional Haircare den Außendienst betreut. Er ist schon seit 2006 im Außendienst und seit 2008 in Österreich tätig. „Die Ausdünnung bei den Konzernen ist für uns positiv. Unser Kunde ist zu 100 Prozent der Friseur, daher stehen auch zu 100 Prozent seine Bedürfnisse im Fokus und nicht die des Endkunden.“ Man versuche deshalb, den Friseur in allen Belangen – fachliche ebenso wie menschliche und auch beim Thema Marketing – zu unterstützen. Im Prinzip habe sich ja über die Jahre nicht allzu viel verändert: „Die Kunden wollen einfach einen zugänglichen Ansprechpartner. Man muss den Service halt beim Kunden leisten und ein hundertprozentiger Partner sein, Vertrauen und Ehrlichkeit sind da essentiell.“ Das Internet und Social Media sieht er da eher als Zugabe: „Das Internet ist ja nichts Negatives, soweit es um Vermarktung und Bekanntmachung von Marken geht. Es bietet die Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu schaffen. Wir können das nutzen, um bestehende und neue Kunden zu erreichen, aber die Hauptaufgabe als 100 Prozent friseurexklusive Marke ist es dennoch, beim Kunden zu sein, und das wollen wir uns auch nicht ersparen.“

Einkaufsgemeinschaften als Lösung?

Wohin sollte sich die Branche also angesichts der sichtbar werdenden Diskrepanzen wenden? Für „simplyrobert“ Suppan könnte es gut und gern wieder so sein wie schon vor sieben bis acht Jahren, „als man größere bzw. organisierte Veranstaltungen hatte und sich auch besser mit Kollegen austauschen konnte“. Ein bis zwei größere Treffen mit Kollegen hielte er für besser als den Trend zum Webinar. Und hinsichtlich Einkauf setzt auch er wie Marcus Eisinger auf Einkaufsgemeinschaften oder junge Firmen mit passendem Sortiment: „Die Industrie sägt am eigenen Ast, wenn sie die Friseure ausschließt.“

Ähnlich äußert sich auch Marcus Eisinger: „Es braucht einfach mehr Differenzierung zum Endverbraucher im Supermarkt und eine Alleinstellung in der Anwendung. Es kann ja nicht sein, dass man auf Youtube eine Mutter mit Tochter sieht, die dort Anwendungstechniken vorzeigen und das den gleichen Level haben soll wie die Arbeit des Professionisten. Die Leute werden belogen.“ Man müsse generell die Ausbildung überdenken und stärker über den Tellerrand schauen, nicht nur in der Lehrausbildung, sondern insbesondere auch danach. Beispielsweise in Hinsicht auf Hygiene, Allergien und andere Themenbereiche. „Technologie und Wissensstand verbessern sich, das muss auch in die Ausbildung einfließen. Und da ist auch die Industrie gefordert: Wenn ein Patent nach dem anderen angemeldet wird, muss dieses Wissen auch gut vermittelt werden.“

Und auch Klemens Gstrein ist von der Idee, Einkaufsgemeinschaften zu bilden, angetan: „Eine Gemeinschaft mit zehn starken Friseuren kann die Industrie unter Druck setzen, aber leider sind sie halt oft zu beschäftigt mit den Kunden.“ Insgesamt müssten die Friseure „stolzer werden, aufstehen und was machen. Das ist der bessere Weg.“