Seit einigen Jahren ist eine neue Art des Friseurs am aufsteigenden Ast – zumindest zahlenmäßig: Billigfriseure überschwemmen den Markt und sorgen für Sorgenfalten in der Branche.

Konkurrenz belebt das Geschäft. Was für die Wirtschaft allgemein gilt, stimmt auch für die Friseure. Seit einiger Zeit jedoch macht in der Branche eine Konkurrenz von sich reden, die so manchem alteingesessenen Stylisten den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Die Rede ist von den sogenannten Billigfriseuren, kleinen Salons, die mit unschlagbaren Preisen anderen Unternehmen die Kunden absaugen und den Druck auf die häufig ohnehin schon niedrigen Preise noch erhöhen. Gerade die klassischen Friseure „ums Eck“ sind es, die die neuen Anbieter besonders zu spüren bekommen. Ein Schnitt für acht Euro oder gar darunter ist für einen kleinen Betrieb mit einigen Angestellten, der vielleicht auch noch den einen oder anderen Lehrling ausbildet, kaum zu schaffen. Ein Blick auf Webseiten wie treatwell.at, einer Preissuchmaschine für „Friseur & Beauty“, unterstreicht das: Eine Suche von OVERHEAD ergab für einen Maschinen-Haarschnitt in Wien einen Mindestpreis von elf Euro, darunter war nichts zu finden.

Umsatzeinbußen bis 50 Prozent

Kein Wunder, dass die Kunden – insbesondere die Herren, auf die sich die Kleinsalons konzentrieren – „überlaufen“. „Ich habe große Einbußen. Vor allem junge Männer, Studenten, die sonst häufig zu mir kamen, fehlen. Beim Billigfriseur müssen sie sich nicht anmelden, keppeln ein bisschen und sind fertig“, erzählt die Grazer Friseurin Elisabeth Pototschnigg. Aber auch Pendlern am Heimweg komme die günstige Konkurrenz gerade recht. Seit rund 29 Jahren ist sie schon an ihrem Standort, an dem sie mit zwei Mitarbeiterinnen stylt. Etwa sechs Billigsalons rittern inzwischen in der weiteren Umgebung um Kunden, und vor kurzem habe auch noch eine Friseurin in der Nähe aufgesperrt, die auch bei den Damen rund sieben bis acht Euro billiger anbiete. „Wie soll sich das ausgehen?“, fragt sie. „Die Schere geht immer weiter auseinander.“

Das bestätigt auch ihr Kollege, Intercoiffeur Gerhard Mayer. „In den Einkaufszentren merkt man das zwar noch nicht so stark, aber sonst kann das durchaus bis zu 50 Prozent Minus im Herrensalon ausmachen.“

Wien als Zentrum

Das Phänomen betreffe inzwischen allerdings schon ganz Österreich, weiß Bundesinnungsmeister Wolfgang Eder: „Es ist dramatisch und ein Riesen-Thema in der Branche, insbesondere seit rund zwei Jahren. Auch in Salzburg am Land gibt es einzelne Brennpunkte, wie zum Beispiel in manchen Bezirksstädten.“ Besonders stark ist es jedoch in Wien. „Aus heutiger Sicht ist das eines der größten Probleme“, meint Landesinnungsmeister Marcus Eisinger. Hier sind vor allem die inneren Bezirke sowie jene mit einem hohen Anteil an Migranten, wie Ottakring oder Simmering, beliebte Standorte.

Gewerbeberechtigung leicht gemacht

Über die Ursachen herrscht weitgehend Einigkeit. Als wesentlichsten Einflussfaktor sehen Branchenvertreter die Änderung der Zulassungsvoraussetzungen zum Gewerbe. „Die individuelle Befähigung ist das Kernübel“, bringt es Marcus Eisinger auf den Punkt. Besonders der Wiener Magistrat habe es sich in der Vergangenheit mit Gewerbeberechtigungen zu leicht gemacht: „Man ist über die Innung einfach drübergefahren und hat trotz negativem Ergebnis der vorgeschriebenen Arbeitsprobe eine Gewerbeberechtigung ausgestellt. Wir konnten dann zum Glück im Rahmen eines Gipfels mit den Verantwortlichen diesbezüglich einen Erfolg erringen, dieses Problem hat sich also gelöst.“ Geblieben sind allerdings die dadurch auf den Markt geschwemmten Salons. Wie es diesbezüglich in Restösterreich aussieht, wäre noch zu prüfen.

Dass Gewerbezugang und Meisterprüfung nicht mehr gleichzusetzen sind, wurmt auch Bundesinnungsmeister Eder: „Die Innung ist leider nur mehr beratend tätig. Und auch wenn die Meisterprüfungen zunehmen und auch im Rahmen des Nationalen Qualifikationsrahmens auf Stufe 6 – gleich wie ein Bachelor einer Universität – anerkannt werden: Entscheiden tut die Gewerbebehörde. Man hat in Österreich durch die Novellierung des Gewerberechts die Ausbildung untergraben.“ Als Ziel sieht er daher eine Regelung wie in Deutschland, wo der Gewerbezugang zur Zeit noch restriktiver ist, „dafür müssen wir kämpfen“.

Sozialdumping

Viele zweifeln jedoch auch an der Einhaltung der steuer-, gewerbe- und sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben. Und auch bei den Öffnungszeiten nehme man es nicht so genau. „Am Sonntag, Feiertag oder abends wird der Salon dann halt ein Verein oder Club“, ärgert sich Intercoiffeur Peter Strassl, der überzeugt ist, dass die Gründe für die Dumpingpreise unter anderem auch in einer recht kreativen Kombination von geringfügigen Anmeldungen und Barauszahlungen zu suchen sind. Und auch die Innungsvertreter Marcus Eisinger und Wolfgang Eder wundern sich, welche Kalkulation wohl hinter den billigen Preisen stecken könnte und sehen hier unter anderem ein soziales Problem. „Wenn in die Sozialversicherung nicht entsprechend einbezahlt wird, kommt auch nichts raus. Und das führt wiederum zu Mindestpensionisten, die mit Ausgleichszahlungen über Wasser gehalten werden müssen“, meint Eder.

Schwerpunktaktion der Finanzpolizei

Amtsdirektor Regierungsrat Franz Kurz, Regionaler Leiter der Finanzpolizei Wien. ©Foto: BMF/Hradil

Die enorme Zunahme der Billigfriseure sowie Zweifel an deren ordentlicher Geschäftsführung veranlassten letztlich die Innungen in Wien sowie in Salzburg und Kärnten, die Hilfe von Gebietskrankenkassa und Finanzpolizei zu suchen. Dort bestätigt Amtsdirektor Regierungsrat Franz Kurz, Regionaler Leiter der Finanzpolizei Wien, eine starke Zunahme von entsprechenden Anbietern während der letzten Jahre. „Sie sind nicht gleichmäßig über Wien verteilt und sie sind hinsichtlich ihrer Preisgestaltung und Arbeitszeit deutlich anders positioniert als klassische Friseure“, berichtet er. „Das hat auch die Frage aufgeworfen, ob sie ihre Abgaben überhaupt bezahlen können.“ Im Rahmen einer Schwerpunktaktion wurden deshalb rund 150 Betriebe in Hinblick auf ihr gewerbe-, finanz- und sozialversicherungsrechtliches Gebaren geprüft. „Das war aber kein Kontrollschwerpunkt gegen Ausländer, wir haben das auch unter anderem deswegen gemacht, um kryptische Unterstellungen bzw. Verdachte klarzustellen“, erklärt Kurz. Entgegen entsprechenden Erwartungen habe sich dabei unter den geborenen Inländern mit Migrationshintergrund keine übermäßige Abweichung von den rechtlichen Vorgaben gefunden. „Es gab bei der Gebietskrankenkassa einige Beanstandungen, aber auch querbeet. Das größte Manko waren aber eindeutig Verstöße gegen die Registrierkassenpflicht. Hier gab es dann entweder gar keine Kassa oder aber der QR-Code fehlte“, weist Finanzpolizist Kurz noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass nunmehr ab Überschreiten der gesetzlich festgelegten Jahresumsatzgrenze von 15.000 Euro – davon mehr als 7500 Euro in bar, wobei als Barzahlung auch Bankomat- und Kredtikartenzahlungen gelten – mit keiner Nachsicht mehr zu rechnen sei. „Wer die Registrierkassa nicht ordentlich führt, muss mit Strafen von bis zu 5000 Euro rechnen, bei Manipulationen an der Kassa steht auch eine strafrechtliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung im Raum.“

Nicht zuletzt weist er aber auch auf Beschränkungen der Finanzpolizei hin: „Verstöße hinsichtlich der Gewerbeordnung sind von der Kammer zu ahnden und der Ladenschluss ist nicht Aufgabe der Finanzpolizei. Einer unserer Schwerpunkte ist die Sozialversicherung, und da sind dann die vorgeschriebenen Arbeitsaufzeichnungen häufig nicht vorhanden, sodass sich Anmeldungen mit geringer Wochenarbeitszeit dann oft auch nicht überprüfen lassen. Die betreffenden Personen arbeiten dann halt grad dann, wenn man gerade da ist. Überdies haben auch andere Branchen unter unseriösen Mitgliedern zu leiden, vor allem Bau und Glücksspiel sind in Wien Dauerbrenner.“ Insgesamt sei aber die Zahl der schwarzen Schafe unter Unternehmern mit Migrationshintergrund anteilsmäßig nicht wirklich höher als jener unter den „Österreichern“. Die Finanzpolizei sei vor allem auch dazu da, ehrliche Unternehmer zu schützen und die unseriösen vom Markt zu  vertreiben: „Manche übertreiben es, die suchen wir dann auf.“

Was tun?

Wie aber könnte man das Problem „Billigfriseur“ lösen? Eine Lösung spricht Gerhard Mayer an: „Es sind jetzt schon so viele, dass sie sich gegenseitig bekämpfen.“ Abseits einer derartigen natürlichen Auslese sieht er keine kurzfristige Lösung: „Scheinkäufe zum Beispiel, um zu sehen, ob ein Produkt auch eingegeben wird“, regt er an und liegt damit durchaus auf einer Linie mit Franz Kurz, der auf entsprechende Aktivitäten anderer Branchen hinweist. „Da wird dann ein Privatdetektiv engagiert, um beispielsweise Problemen bei der Anmeldung von Dienstnehmern auf die Schliche zu kommen.“

Für Bundesinnungsmeister Wolfgang Eder liegt die Lösung der Problematik unter anderem in einer Neuregelung der Zulassung. „Es muss einerseits gelingen, die Gewerbebehörden davon zu überzeugen, eine Teilung in Damen- und Herrenfriseure zu unterlassen. Zum anderen müssen wir Friseure uns von den Billiganbietern abheben“, erklärt er und verweist unter anderem auf die Zusammenarbeit der Branche mit der Wirtschaftsuniversität Wien. Damit sollen hinsichtlich der individuellen Befähigung fehlende Kompetenzen vermittelt, diese durch Prüfungen nachgewiesen und so eine Gleichstellung mit der Meisterprüfung erreicht werden. „Kompetenzen sind ein zentraler Punkt, denn der Friseur ist nicht nur zum Haareschneiden da, sondern darüber hinaus vor allem ein Experte für Haut und Haar. Aber auch Kompetenzen im Unternehmerbereich – vom Arbeitnehmer- bis zum Konsumentenschutz – sind ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal des seriösen Friseurs.“ Da sei die individuelle Befähigung nicht mehr ausreichend. Also Konkurrenz durch Kompetenz, denn: Konkurrenz belebt das Geschäft.